Wettbewerb Spielfilm komplett!

THE HORSE THIEVES. ROADS OF TIME
THE HORSE THIEVES. ROADS OF TIME © GAGA corporation

Das FilmFestival Cottbus steht seit 30 Jahren für bestes Kino aus Osteuropa. Im Wettbewerb Spielfilm des 30. FilmFestival Cottbus (3. bis 8. November 2020) konkurrieren zwölf Filme aus insgesamt 22 (Ko-)Produktionsländern um den mit 25.000 Euro dotierten Hauptpreis und den Spezialpreis für die beste Regie sowie die Preisskulptur LUBINA (sorbisch: die Liebreizende). Elf der Werke feiern in Cottbus ihre Deutschlandpremieren. Vielversprechende Talente messen sich mit Starregisseuren, Newcomer treffen auf FFC-Stammgäste wie Oleg Novković, dessen THE LIVING MAN als Weltpremiere beim FFC zu sehen sein wird.

Gleich zwei Werke von Oleg Novković sicherten sich 2006 und 2010 beim FFC Hauptpreise. Im diesjährigen Wettbewerb Spielfilm trifft der Belgrader Regisseur mit THE LIVING MAN, einer Familiengeschichte um einen alternden Rockmusiker, auf einen weiteren FFC-Seriensieger: Ivan I. Tverdovskiy. Dieser präsentierte all seine gesellschaftskritischen Beiträge überaus erfolgreich in Cottbus. Der in Moskau geborene Tverdovskiy blickt mit  seinem vierten Spielfilm CONFERENCE auf die Nach- und Folgewirkungen der unfassbaren Ereignisse rund um die Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater von 2002, bei deren Aufarbeitung die Betroffenen allein gelassen wurden.

Piotr Domalewski, Gewinner des FFC-Kurzfilmwettbewerbs 2018, geht mit dem im selben Jahr beim Ost-West-Koproduktionsmarkt connecting cottbus gepitchten I NEVER CRY ins Rennen. In diesem soll die junge Ola den Leichnam ihres verunglückten Vaters von Irland in die polnische Heimat bringen.  Domalewskis Ola würde sich wahrscheinlich mit Monika aus Lina Lužytes THE CASTLE verstehen. Das Mädchen will als Musikerin auf den Spuren von Elton John wandeln und nichts von der Frustration ihrer Mutter oder den Nöten der Großmutter wissen. Die Coming-of-Age-Geschichte erzählt von drei litauischen Frauen unterschiedlicher Generationen und deren Leben als Migrantinnen in Irland.  Starke weibliche Hauptfiguren mit all ihren biografischen Brüchen stehen auch im Zentrum zweier weiterer Wettbewerbsbeiträge: Dort finden sich Jure Pavlovićs Mutter-Tochter-Familiengeschichte MATER und Ivan Ikićs feinfühliger und mit Laiendarstellern inszenierter Film OASIS, der in Venedig für Furore sorgte. 

Neben den starken Frauenrollen besticht der diesjährige FFC-Spielfilmwettbewerb durch seine große Genrevielfalt. Der kasachisch-japanische Western THE HORSE THIEVES. ROADS OF TIME von Yerlan Nurmukhambetov und Lisa Takeba eröffnete im südkoreanischen Busan das wichtigste Filmfestival Asiens.  Mit der düsteren Post-Apokalypse IN THE SHADOWS lässt der türkische Regisseur Erdem Tepegöz seinen Protagonisten gegen eine sinnlose Überwachung rebellieren. Marian Crisan geht mit der rumänischen Politkomödie THE CAMPAIGN an den Start und Piotr Dylewski tritt mit dem Beziehungsdrama ROTTEN EARS an. In diesem liegt ebenso eine zwischenmenschliche Unruhe in der Luft wie beim griechischen ALL THE PRETTY LITTLE HORSES. Regisseur Michalis Konstantatos entwickelt aus einem Beziehungsdrama heraus eine komplexe Gesellschaftsmetapher, die Schein und Sein nicht nur radikal hinterfragt, sondern auf die Spitze treibt. Diese allgegenwärtige, große Gereiztheit der Hauptfiguren findet sich auch in Szabolcs Hajdus Budapester Episodengeschichte TREASURE CITY. Aus den Befindlichkeiten seiner Helden fügt er ein Mosaik zusammen, das das aus der Balance geratene emotionale Miteinander im gegenwärtigen, populistisch regierten Ungarn beschreibt.  Mit seiner Jubiläumsausgabe unterstreicht das FilmFestival Cottbus einmal mehr die Stärken des facettenreichen Kinos aus Osteuropa. Dank der dualen Version des FFC, die erstmals bundesweit ein Streaming der Filme ermöglicht, können Zuschauer in ganz Deutschland von zu Hause aus Festivalkino aus Cottbus genießen.

9. .Oktober 2020