Spotlight: Pärchenweise
Die beiden Kuratoren der Reihe Spotlight: Slovensko, Bernd Buder und Rastislav Steranka, stellen jeweils zwei slowakische Filme gegenüber, die sich auf unterschiedliche Weise mit Themen wie Holocaust, Leben im urbanen Mikrokosmos oder existenziellem Überlebenskampf im Alltag beschäftigen. Die Filme sind im Abstand von mehreren Jahrzehnten entstanden. Wir hatten Gelegenheit, Rastislav Steranka einige Fragen zu stellen.
Welche neuen Perspektiven bietet diese ungewöhnliche Gegenüberstellung dem Zuschauer?
1921 drehte ein kleines Filmteam amerikanischer Slowaken in der Slowakei einen Stummfilm, der heute als der erste slowakische Spielfilm gilt (Jánošík, Regie: Jaroslav Siakeľ). Die Idee, die Spotlight: Slovensko-Retrospektive zu kuratieren, entstand aus der Überlegung, wie man das slowakische Kino im Jahr 2021 präsentieren könnte, ohne auf das Offensichtliche zurückzugreifen – also entweder Jánošík oder eines der kanonischen Werke des slowakischen klassischen Kinos zu zeigen (diejenigen, die im Ausland am meisten Beachtung gefunden haben). Das klassische slowakische Kino hat jedoch mehr zu bieten als „Die Sonne im Netz“ von Štefan Uher (auch bekannt als "Johannes der Täufer" der tschechoslowakischen Neuen Welle) oder Filme von Juraj Jakubisko und Dušan Hanák – unsere nationalen Filmschätze, das steht außer Frage. Bernd Buder und mich hat es sehr gereizt, die Geschichte des slowakischen Kinos eher räumlich als zeitlich zu betrachten und auf diese Weise vielleicht neue Sichtweisen auf unsere Kinogeschichte zu ermöglichen. Ich würde die Paarungen nicht unbedingt als Gegenüberstellung bezeichnen, sondern eher als einen fließenden Prozess der Programmgestaltung, der darauf abzielt, Verbindungen zwischen den Filmen herzustellen und so ein Netzwerk mit mehreren Eingangspunkten, Kreuzungen und Knotenpunkten zu schaffen. Die Filme werden unabhängig von Chronologie, Genre oder Dauer miteinander verbunden und bieten dem Publikum so ausgewählte Themen, die slowakische Filmemacher in der Vergangenheit behandelten, die aber immer noch aktuell sind. Wir wollten zeigen, wie slowakische Filmemacher vor mehr als einem halben Jahrhundert mit Fragen und Themen umgingen und wie sie sich heute damit auseinandersetzen.
Jahrzehntelang war die slowakische Filmproduktion die Produktion eines gemeinsamen Landes – der ČSSR, später der ČSFR. Am 1. Januar 1993 wurde die Tschechoslowakei zu zwei getrennten Staaten: Die Tschechische Republik und die Slowakei. Wie hat sich die kulturelle Identität der Slowakei trotz aller historischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in den bis 1993 gemeinsam produzierten Filmen erhalten? Was ist das Besondere am slowakischen Film, was unterscheidet ihn vom tschechischen Film?
Das slowakische Kino ist relativ jung. Die Koliba Filmstudios in Bratislava wurden 1953 gegründet und in Betrieb genommen. Es ist wichtig zu erwähnen, dass Koliba von seinen Anfängen bis (fast) zu seinem bitteren Ende in staatlichem Besitz und unter staatlicher Kontrolle war, während der Staat selbst von der Kommunistischen Partei geführt wurde. Barrandov, die ersten Filmstudios in der Tschechoslowakei (heute Tschechische Republik), wurden bereits 1931 eröffnet und machten Prag zu einer der führenden Produktionsstätten auf dem europäischen Kontinent. Wie Sie sehen können, gab es unterschiedliche Ausgangspunkte für die beiden nationalen Kinos (obwohl sie nach dem Zweiten Weltkrieg als gemeinsames tschechoslowakisches Kino verstaatlicht wurden). Einige der ersten slowakischen Filmemacher (Stanislav Barabáš, Eduard Grečner, Peter Solan, Štefan Uher), die Mitte der 1950er Jahre in die Koliba Filmstudios kamen, hatten an der FAMU in Prag studiert. Zwischen den beiden nationalen Kinos gab es schon immer eine enge Verbindung. Es waren tschechische Filmemacher, die ihren slowakischen Kollegen beim Aufbau der technischen und kreativen Möglichkeiten für die Filmproduktion halfen. Tschechische Regisseure drehten früher Filme in der Slowakei und umgekehrt. Auch heute noch werden fast alle slowakischen Filme in Koproduktion mit der Tschechischen Republik gedreht und umgekehrt. Betrachtet man die Filme "nach Ländern", so sind die in Barrandov gedrehten Filme heute tschechisch und die in Koliba gedrehten slowakisch. Das slowakische Kino hat keine so lange und fruchtbare Tradition wie das tschechische, wir haben keine international bekannten Namen wie Věra Chytilová, Miloš Forman oder Jiří Menzel. Das tschechische Kino hat auch Genrefilme hervorgebracht (Komödien, Western, Science-Fiction, Horrorfilme), die im slowakischen Kino fehlen (abgesehen von seltenen Versuchen). Die Tschechen haben ihren eigenen zynischen, so genannten tschechischen Humor, der auch in ihre Filme eingeflossen ist. Die Slowaken sind, so wage ich zu behaupten, ernster, und das gilt auch für unser Kino, das soziale, politische und kulturelle Themen widerspiegelt (leider oft mit einem starken ideologischen Einschlag, je nach Epoche).
INFO Slowakisches Filminstitut
Das Slowakische Filminstitut (SFI, gegründet 1963) ist die einzige nationale Filminstitution in der Slowakei und besteht aus dem Nationalen Filmarchiv und dem Nationalen Kinematografischen Zentrum, das als Filmzentrum zur Förderung des zeitgenössischen und klassischen slowakischen Films dient. Das SFI verwaltet die Produktionsrechte an slowakischen Filmen, die bis 1991 in der Slowakei produziert wurden und ist Mitglied der FIAF und der EFP sowie Sitz des Creative Europe Desk Slovakia.
VITA Rastislav Steranka
Direktor des Nationalen Kinematografischen Zentrums am Slowakischen Filminstitut. Einer der drei Kuratoren der Kinemathek des Slowakischen Filminstituts - Filmotéka. Er war Gastdozent am Filmkabinett (einem Filmbildungsprogramm des Slowakischen Filminstituts), schrieb und übersetzte Texte über das klassische und zeitgenössische Kino für verschiedene Zeitschriften, Publikationen und Lehrbücher.