Drei Fragen an… Bernd Buder, Programmdirektor des FilmFestival Cottbus
Circa 100 Tage sind es noch bis zum 28. FilmFestival Cottbus (6. bis 11.11.2018). Programmdirektor Bernd Buder gibt schon jetzt einen kleinen Einblick in die laufenden Vorbereitungen, erklärt, weshalb gute Filme nie langweilig werden können und hat für die ganz ungeduldigen Festivalfans wertvolle Tipps parat.
Noch circa 100 Tage sind es bis zur 28. Ausgabe des FilmFestival Cottbus. Wie blickst Du auf die vergangenen Monate der Vorbereitung zurück und was bedeuten die 100 Tage bis zur Eröffnung für Dich?
Es gibt ja jedes Jahr ungefähr den gleichen Rhythmus. Das Filmfestival in Karlovy Vary ist der Break-Even: Wenn das vorbei ist, weiß man, dass es Zeit wird, die Programme einzutüten. Hinter den Kulissen ist bis dahin schon jede Menge Arbeit passiert: Förderanträge, Konzepte für die verschiedenen Filmreihen, Recherchen für die Nebenreihen, unsere zahlreichen Präsenzen mit Filmvorführungen, Jury-Teilnahmen und Empfängen bei Partnerfestivals. Neben den großen Branchenveranstaltungen wie Cannes sind die Besuche auf kleinen Festivals besonders spannend, weil man hier wirklich schnuppern kann, wie ein Land, eine Region tickt. Beim Kozzi-Festival in Zielona Góra etwa kommt man sehr schnell mit ganz normalen Kinogängern in Kontakt, die dann mit ihrer ehrlichen Meinung zum Film nicht hinterm Berg halten, ob positiv oder negativ. Diese gesammelte Erfahrung findet dann Eingang in die Programmgestaltung, die jetzt im Detail vor uns liegt: Wie schaffen wir die Balance zwischen Arthouse und Genre? Zwischen Zentralasien und Baltikum? Zwischen politischem Film und reiner Unterhaltung? Es gibt ja so viele unterschiedliche Geschichten und so viele Arten, sie zu erzählen. Viele davon enden zur Zeit, siehe den Krieg in Donbass, tragisch. Nicht nur im Film. Das geht emotional nicht spurlos an einem vorbei.
Wenn Du so viel unterwegs bist, zahlreiche Festivals besuchst und unzählige Filme sichtest, bist Du vermutlich mit einer besonderen inhaltlichen Überfülle konfrontiert. Wie bewahrt man sich da die Aufgeschlossenheit, sich auf jeden Film neu einzulassen?
Bei guten Filmen ermüdet man eigentlich nicht so schnell, die fesseln einen auch, wenn man an dem Tag schon fünf Filme gesehen hat. Dazu kommt ja, dass jeder Film anders ist. Auf Festivals kann man sich immer sofort mit KollegInnen über die Filme austauschen, auch über die Hintergründe: Warum ist dieser Film jetzt besonders wichtig für das Land, wo er entstanden ist? Welche Bedeutung haben die Orte, an denen er gedreht wurde, welche die Namen, die benutzt werden? Oft wird ein Film größer, wenn man diese Hintergründe kennt, und man freut sich, wenn man diese kulturellen Codes entziffern kann. Das macht diese Arbeit besonders spannend: Man lernt, sich in die Denkweise anderer Kulturen hineinzuversetzen. Damit wird die Neugier immer wieder stimuliert, und wenn man dann nach dem achten serbischen Film zum Beispiel einen Drehort wiedererkennt, weiß man schon um den symbolischen Charakter dieses Ortes. Trotzdem muss ein Film natürlich auch eine innere Spannung haben, die Bilddramaturgie muss stimmen, das Schauspiel – da wird man leider öfters vor Geduldsproben gestellt, als man sich das vorgestellt hat. Umso erbaulicher, wenn man dann einen Film sieht, der einen von der ersten Sekunde an mitnimmt. Da ist man dann auch nach einem langen Arbeitstag plötzlich wieder hellwach.
Was möchtest Du heute den schon ganz ungeduldigen FFC-Fans mit auf den Weg geben?
Wir können auf jeden Fall wieder ein spannendes, umfangreiches Programm versprechen. Wer die Zeit dazu findet, kann sich Ende Juli/Anfang August auf den Weg ins nicht allzu weite Wroclaw machen, wo dann das tolle New Horizons-Filmfestival stattfindet. Potsdamer haben ab August die Gelegenheit, im Filmmuseum Potsdam Cottbuser Preisträger aus den letzten Jahren zu gucken. In Kooperation mit dem VoD-Anbieter arbeiten wir außerdem an Möglichkeiten ab Spätsommer osteuropäisches Kino für Streaming-Fans anzubieten. Und auch zusammen mit dem Cottbuser Obenkino präsentieren wir in nächster Zeit ein paar Filme. Einige – wie immer zu wenige – osteuropäische Filme kommen demnächst ins deutsche Kino - als nächster Sergej Loznitsas DONBASS. Eine Reflektion zu dem Drama, was sich im Osten der Ukraine abspielt, die jeden von uns dazu aufruft, sich mit unserer Verantwortung für ein friedliches, tolerantes Zusammenleben auseinanderzusetzen. Das klingt pathetisch, aber gerade am Beispiel des Ukraine-Russland-Konflikts können wir sehen, was passiert, wenn die Politik sich mit den Menschen beschäftigt, und nicht umgekehrt. Insofern laden osteuropäische Filme auch immer dazu ein, Klischees und vorgefasste Meinungen zu hinterfragen, bevor sie zum Konflikt eskalieren, zuallererst die eigene. Das kann man das ganze Jahr über tun. Kino hilft dabei, und ist auch noch unterhaltsam.