ŽIVI I ZDRAVI

Zu Beginn des Films verwandelt Leso, der schweigsame und entschlossene Patriarch der Familie, eine Unterwassermine im blauen Wasser der Adria in eine Kiste mit Sprengstoff – denn was wäre eine montenegrinische Hochzeit ohne Schießerei? Noch ahnt er nicht, dass sich die gesamte Feier durch das späte Nein-Wort der Braut schon bald in ein mentales Pulverfass verwandelt. Nach außen mangelt es an nichts: der Rakija fließt in Strömen, feierliche Reden werden geschwungen und in intimen Gesprächen lästernd zerlegt, die Braut wartet in einem üppigen weißen Kleid auf ihren Auftritt, betrunkene, verschwitzte Tänzer geben Freudenschüsse aus Pistolen und härterem militärischen Gerät ab und treffen am Ende nicht immer mit der gebotenen Zielgenauigkeit. Doch dann werden Familienstreitigkeiten ausgegraben, ein zweifelhafter Deal kommt ans Tageslicht, und die jahrhundertealten Traditionen selbst werden in Frage gestellt – welche, so scheint es, die Eltern mehr brauchen als ihre Kinder. Ivan Marinovićs kluger Film hält über die gesamte Laufzeit die richtige Balance zwischen Drama und Komödie, zwischen Gesellschaftssatire und krachledernem Humor und kann auch als Katastrophenfilm gesehen werden. Denn diese Titanic-artige-Hochzeit wird untergehen unter der Last unerfüllter Erwartungen und starrsinnig eingeforderter überholter Bräuche auf der einen und eines leidenschaftlichen Wunsches nach dem Momentum zur Veränderung und dem Weg vom „Weiter so“ auf der anderen Seite.

Text: Ksenia Reutova

07.11.2024 | 13:00 | Obenkino (OmeU)

10.11.2024 | 18:30 | Glad-House (OmeU + Simultanübersetzung)