„Mantas war nicht der Heldentyp“, sagt Thanassis Karathanos, deutscher Ko-Produzent von MARIUPOLIS 2: „Sein Thema war, Menschen zu zeigen in sehr harten Situationen, Extremsituationen wie eben im Krieg.“ Für sein Debüt „Barzakh“ (2011) ging er nach Tschetschenien, 2016 erschien „Mariupolis“, das Portrait einer Stadt und ihrer Bewohner*innen am Rande der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen pro-russischen Separatist*innen und ukrainischer Armee. Jetzt wollte Kvedaravičius die Protagonist*innen von damals wieder aufsuchen. Doch der Krieg war schneller: die meisten Szenen entstanden im Keller der Kirche einer Baptisten-Gemeinde, unweit des Asowstal-Stahlwerks, wo Anwohner*innen Unterschlupf im Keller fanden. Unter schönster Vorfrühlings-Sonne registrieren die Einwohner*innen von Mariupol die Wunden, die der Krieg hinterlassen hat. „Beim Einschlag der Bombe wurde der Hausbesitzer in Stücke gerissen und blieb auf meinem Dach hängen. Er hing da, drei Tage. Er hatte noch weiße Gartenhandschuhe an. … Nach drei Tagen holte ich ihn runter, legte ihn in eine Schubkarre und in seinen Hof“, erzählt einer von ihnen. MARIUPOLIS 2 ist ein Dokumentarfilm, keine Kriegsreportage. Die Kamera nimmt sich Zeit, wird zur kontemplativen Protokollantin der mutwilligen Zerstörung. Kvedaravičius‘ Protagonist*innen verrichten ihren Alltag in der zerstörten Stadt fast lakonisch. Im Hintergrund Kanonendonner, irgendwann erschrickt man nicht mehr, und doch ist der Tod ständiger Begleiter dieses Alltags. Eines Alltags übrigens, wie er sich vor der Intensivierung der Kampfhandlungen in Mariupol in den darauffolgenden Wochen abspielte – es kam, wie wir wissen, noch schlimmer. Mantas Kvedaravičius wurde am 2. April 2022 von russischen Soldaten erschossen, seine Verlobte Hanna Bilobrova stellte den Film fertig. Mit der Leiche ihres Verlobten im Kofferraum verließ sie Mariupol.
Text: Bernd Buder
Weltspiegel Saal 2: Originalversion mit engl. Untertitel
Mantas Kvedaravičius -