Sektion: What´s left?

BRATAN

BRATAN BROTHER

Bakhtyar Khudojnazarov
TJ, 1991, 100 Min

Abenteuer Freiheit: Der 17-jährige Farukh will weg aus seinem Dorf. Zusammen mit seinem kleinen Bruder macht er sich auf den Weg in die Stadt. Der Weg führt mit einer Schmalspurbahn durch atemberaubende Landschaften und surreale Alltagssituationen. Die große Leichtigkeit, mit der der tadschikische Filmklassiker inszeniert ist, zeugt von der Aufbruchsstimmung zu Beginn der 1990er-Jahre, die wir heute so schmerzlich missen.

Für Farukh und seinen Bruder Azamat dauert die Reise mit der langsamen Bahn in die Großstadt eine Ewigkeit. Nach dem Tod der Mutter will Farukh seinen kleinen Bruder beim Vater unterbringen. Mit jedem Kilometer fühlen sie sich freier und selbstbewusster, jeder nächste Halt verspricht neue Hoffnungen und neue Herausforderungen. Gleichzeitig wächst die Vorfreude auf ein Wiedersehen mit dem Vater, der die Familie vor einigen Jahren verlassen hat, um in der Stadt zu arbeiten. Dass der Vater dann mit einer neuen Frau lebt und trotz schöner Worte kein Platz für Azamat da ist, dass die Stadtgesellschaft ihre unangekündigten Gäste mit Fremdeln und mit Schlägen empfängt – für die Gäste vom Dorf eine herbe Enttäuschung. Am Ende fahren die Reisenden zurück, der Weg war das Ziel. Das Spielfilmdebüt das 2015 viel zu früh gestorbenen Bakhtyar Khudojnazarov liest sich heute wie eine Parabel auf die Hoffnungen nach der Implosion der totalitären sozialistischen Staaten, und den anschließenden Enttäuschungen. Filmisch reißt er sein Publikum mit den beeindruckenden Landschaftspanoramen und der mitreißenden On-the-Railroad-Atmosphäre bis heute mit. Ein Freiheitsversprechen, das vom Regisseur gleichzeitig kontemplativ auf eine realistische Gefühlsebene heruntergebrochen wird, auf der Glücksgefühl und Verfall zwei Seiten derselben Medaille sind. Der Film wurde vor kurzem von dem in Berlin lebenden Regisseur Veit Helmer rekonstruiert und lief vor kurzem auf dem Filmfestival in Venedig in den Venice Classics.

 

 Weltspiegel: Originalversion mit engl. Untertitel + deutscher Simultanübersetzung

 

Text: Bernd Buder

Bakhtyar Khudojnazarov

Bakhtyar Khudojnazarov - Bakhtyar Khudojnazarov wurde 1965 in Duschanbe, der Hauptstadt von Tadschikistan, geboren, damals noch eine Sowjetrepublik. Nachdem er als Regieassistent gearbeitet hatte, wurde er an der renommierten Filmschule VGIK in Moskau aufgenommen, wo er drei Kurzfilme drehte, bevor sein Spielfilmdebüt BRATAN(1991) premierte. 1994 zog Khudojnazarov dauerhaft nach Berlin, drehte aber weiterhin Filme in Zentralasien. Der Produzent Karl Baumgartner (Pandora Filmproduktion) wurde sein enger Mitarbeiter. Sein zweiter Film KOSH BA KOSH (internationaler Titel Odd and Even) gewann 1993 den Silbernen Löwen in Venedig und sein dritter Film, LUNA PAPER, war ein Kassenschlager in den Kinos der ganzen Welt. Khudojnazarov schuf bis zu seinem tragischen Tod im Jahr 2015 ein beeindruckendes Oeuvre visuell atemberaubender Filme. Im Jahr 2017 begann Bakhtyar Khudojnazarovs Freund und Kollege, der deutsche Filmemacher Veit Helmer, nach dem Verbleib der frühen Filme zu suchen. Auf eigene Kosten und nach mehreren Jahren der Recherche und Arbeit schloss Helmer die Restaurierung von BRATAN im Jahr 2022 ab.

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